Die Schöne vom Bodensee
von Gregor Kastirke
Als Hobbymusiker kommt man mit der Röhrentechnik auch heutzutage noch immer in Berührung: Vollröhren-Verstärker gehören bei Gitarristen und Bassisten weiterhin zum guten Ton und Begriffe wie „warm“, „obertonreich“, „dynamisch“ fallen in diesem Zusammenhang bei der Beschreibung deren Klangs gerne. Einen Vintage-Amp Echolette BS40 besitze ich schon seit einigen Jahren und als es an die Anschaffung eines Küchenradios für unsere kleine Wohnung in Frankfurt ging konnte ich meine Freundin überzeugen: Ein Röhrenradio musste es sein.
Zeitnah fanden wir ein kleines Grundig und von nun an ging es so, wie es immer geht: dann noch eines und noch eines und noch eines …
Da fehlt doch was…
Irgendwann ist uns aufgefallen, dass wir gar keinen Schallplattenspieler haben – das konnte nicht so bleiben! Hatte ich doch schon als Kind viele Stunden mit den Platten von Papa und Interpreten wie Fats Domino oder Chuck Berry verbracht.
Da schien die Anschaffung einer Musiktruhe nur logisch. Aber Stereo sollte sie schon sein (der Platten wegen) und möglichst kompakt bitte und natürlich schön anzusehen.
Mir gefällt das späte 50er Design – meiner Freundin das der 60er … viele Modelle blieben da nicht übrig. Auf einer großen Online-Plattform sind wir fündig geworden: „Die da sieht toll aus!“, höre ich sofort.
… eine SABA Mainau 12 Stereo – voll funktionsfähig für einen guten Preis abzuholen in Augsburg – naja, gut…
Wir erstanden eine wirklich schöne Truhe in gutem Zustand mit Plattenspieler Dual 1008A mit 10-fach automatischem Plattenwechsler, der nach kleiner Reparatur einwandfrei funktionierte, welche von nun an unser Wohnzimmer schmückte. Das Design schon deutlich anders als in den 50ern: Zugeklappt hält sie sich während des Abspielens optisch dezent im Hintergrund, denn Bedienteil und Plattenspieler bleiben hinter den Klappen verborgen.
Mit der Zeit kommen kleine Schwächen…
Doch irgendwann wurde das Netzbrummen deutlich hörbarer und ich dachte mir, die Netzelkos könnte ich ja mal tauschen und nach ein paar Problemkondensatoren schauen. Also schnell mal das Chassis ausgebaut – aha, die Schaltung schon in (Multiplex-) Platinenbauweise gefertigt…eigentlich schön übersichtlich. Doch mit schnell mal ausbauen und ablöten war hier nicht … einige Stunden hat es gedauert bis ich mit viel Geduld und kleiner Entlötpumpe die richtigen Kontakte des Becherelkos gefunden und ausgelötet hatte und das Ding endlich entfernt war.
Drin waren die beiden modernen, radialen Elkos schnell. Da schau ich doch gleich mal, ob das schon den gewünschten Effekt gebracht hat. Nach dem Einbau kam die Enttäuschung: Es geht nur noch einer der beiden Kanäle – aus dem anderen Lautsprecher nur leises Brummen. Also raus das Teil und dann Fehlersuche. Schnell merke ich: Das Platinendesign macht mir das Leben schwer – die Signalwege aus dem Schaltplan sind nicht so einfach nachzuverfolgen wie bei den älteren „fliegenden“ Verdrahtungen – einen Reparaturständer habe ich auch (noch) nicht…
Ich brauche Hilfe!
Da finde ich die Radioklinik vom Radiomuseum Linsengericht im Netz… okay, geschlossen wegen Corona … aber im Homeoffice werden auch Fälle behandelt: toll!
Eine Kontaktanfrage rausgeschickt und prompt bekomme ich Antwort … mein Fall wird in der nächsten Online-Sitzung besprochen und dann zugeteilt.
Eine Woche später bringen wir das Chassis zu Herrn Henkel und noch nicht richtig abgegeben landet es schon auf dem Reparaturständer. Abends schon die email mit den Prüfprotokollen der Röhren … daran konnte es eigentlich nicht liegen.
Einige Wochen später bekomme ich einen weiteren Zwischenstand: die kritischen Kondensatoren sind gewechselt, ein paar schwache Röhren getauscht und der Apparat läuft gut – zeigt aber Schwingverhalten bei höheren Lautstärken – könnte davon kommen, dass in der Truhe nach den Lautsprecheranschlüssen noch Drosseln im Gehäuse verbaut sind.
Dann das gute Stück am Radiomuseum in Linsengericht abgeholt – natürlich gehen wir nicht ohne eine kleine private Führung – nochmals vielen Dank an dieser Stelle!!
Zu Hause das Chassis eingebaut und eingeschaltet. Läuft auf Radio super – Platte eingelegt, Stereo-Taste gedrückt: wieder nur ein Kanal… Doch ein Lautsprecher kaputt?? Hoffentlich nicht .. beim Drücken der Stereo-Taste knackt es aber ein bisschen auf dem toten Kanal – vielleicht nur ein Kontaktproblem nach der langen Standzeit?… nochmal raus .. vorsichtig die Kontakte mit Tuner 600 gereinigt, wieder eingebaut – immer noch nicht. Ich prüfe mit einem Adapterkabel von DIN-Stecker auf 2xCinch am Tape-Eingang des Gerätes – da kann man beide Kanäle getrennt betrachten. Auch im Mono-Betrieb macht er hier seltsame Sachen. Stecke ich den zweiten Kanal dazu klingt es total dumpf …
Unterdessen hat Herr Henkel schon geschrieben: „Spielt die Truhe wieder?“ … ich schreibe ihm meine Erkenntnisse… an den Weihnachtsfeiertagen kommt schon eine „Anleitung“ zum Nachmessen. Da zeigt sich der Fehler: Im Stereo-Betrieb kein Kontakt zwischen einem der beiden Lautsprecher-Anschlüsse .. auch hat die Lautsprecher-Erde hier komischerweise einen großen Widerstand zur Masse .. seltsam…
Da das Chassis eh draußen liegt, mache ich nach einem Tag Pause weiter … das lässt mir keine Ruhe … ich versuche alle Anschlüsse an den Ausgangsübertragern durchzumessen (die im Schaltplan angegebenen Farben der Kabel stimmen bei mir leider nur teilweise). Ein Ausgangsübertrager hat am schwarzen Kabel allerdings nicht den vorgeschriebenen Massekontakt – Moment: das darf so aber nicht sein! Ich messe weiter und finde heraus, dass ein Elko seine Masse über ein schwarzes Kabel bekommt, was am Ausgangsübertrager hängt (genau das, was eben keine Masse bei mir hat).
Das ist es: Im Schaltplan ist es durch einen Punkt angedeutet, dass die Gehäusemasse des alten Becherelkos noch einmal mit Masse verbunden ist – der neue Elko hat an minus bei mir keinen Massekontakt.
Nach weiter Absprache mit Herrn Henkel habe ich die Verbindung angelötet und mich zum Einschalten getraut: Wow: Alles wieder da! Ohne Netzbrumm, schöner Klang, gute Senderempfindlichkeit auf UKW… so wie es sein soll.
Erfolg!
Nun steht wieder eine gut funktionierende Musiktruhe in unserem Wohnzimmer – die interessierten Blicke sind ihr sicher.
Denn jeder Gast (egal welchen Alters) bei uns sagte bisher: „Das da sieht toll aus!“ Und manche noch: „Was ist das eigentlich?“.
Herzlichen Dank an das Radiomuseum und Herrn Henkel für die Reparatur und die geduldige Hilfestellung.
- Über einen weiteren schwierigen Fall lesen Sie hier: Braun RT20
- Hier erfahren Sie, welche Geräte wir reparieren können.
- Informationen über das Radio-Museum Linsengericht e.V.
Wolfram, Du hast ein gutes Händchen für solche Fälle! Glückwunsch!
Habe mein Bestes versucht, aber zum Schluss hat Herr Kastirke doch selbst den Fehler gefunden.