Der große Kurfürst (Friedrich Wilhelm 1620-1688) gilt als Schöpfer Preußens und er war auch Namensgeber für eine Radio-Fernsehkombination der Spitzenklasse von den Graetz-Werken im westfälischen Altena. Keine „Musiktruhe“ im klassischen Sinne, sondern eher ein schmuckes Schränkchen (gut 60 Kilogramm Gewicht!) auf Rollen, umhüllt von edlen Hölzern und mit Schiebetüren an der Frontseite, wurde dieser „Kurfürst“ ab 1957 bis Ende 1961 gebaut. Der Preis für den Typ F171 war damals mit knapp 1.600,00 DM stattlich – gemessen am damaligen durchschnittlichen Einkommen der Bundesbürger. Und für die Ausführung in hellem Holz war überdies ein Zuschlag fällig.
Zwischenzeitlich sind gut erhaltene Kurfürsten eine Rarität.
Mit etwas Glück habe ich ein solches Gerät zu einem akzeptablen Preis vor gut einem Jahr erstehen können. Äußerlich in einem Top-Zustand, und was die Technik angeht, blieb das Teil nahezu unverbastelt, denn es diente als reines Zierstück. Und der erste Eindruck hat nicht getäuscht: Hier wurde nicht nur erstklassiges Material verarbeitet, und das Ganze gut durchdacht und mit hoher Präzision. Bei einer ersten Durchsicht befanden sich im Inneren noch die Schachteln von zwei Röhren, die irgendwann einmal getauscht wurden – vor mehr als 50 (!) Jahren.
In einem ersten Schritt wurde zunächst erst einmal das Chassis extrahiert und an sicherer Stelle zwischengelagert. Dann erfolgte ein erster Test der Bildröhre mit dem „Müter“. Das Ergebnis war mehr als zufriedenstellend: Auch nach der langen Stillstandzeit lagen die Werte knapp im Bereich „Gut“ an der Grenze zu befriedigend. Damit war eine erste Hürde genommen, um den Kurfürsten neues Leben einzuhauchen. Im Falle eines Defekts der Bildröhre vom Typ Valvo 53-80 wäre die gesamte Restaurierung in Frage gestellt worden.
Das Chassis ist im rechten Winkel angeordnet und das senkrecht stehende Teil kann zu Wartungszwecken ausgeklappt werden. Allerdings nagt der Zahn der Zeit an den Halterungen, die ein völliges Abkippen verhindern sollen. Hier empfiehlt sich mit einem einfachen Bindfaden das hochstehende Chassisteil dagegen zu sichern.
Jetzt konnte die Wiederherstellung in zwei Schritten erfolgen: Instandsetzung des Radioteils und anschließend kommt der Fernseher dran. Obwohl das Chassis eigentlich wartungsfreundlich aufgebaut ist, handelt es sich bei der um ein nicht gerade handliches Objekt (siehe Bild). Besonders wichtig: das Skalenglas sollte auf den Fall als erstes demontiert und an sicherer Stelle gelagert werden, weil es über das Chassis hinaus ragt und beim Wenden sehr schnell zerbrechen kann.
Nach der Grundreinigung galt es dann die Potis für diverse Einstellungen (Klang, Bilddurchlauf, Helligkeit etc.) wieder gangbar zu machen. Hier leisteten Spiritus und Fettlöser gute Dienste. Abschließend schließlich sorgt ein kleiner Tropfen Waffenöl dafür, dass die Teile auch gangbar bleiben. Für zielgerichtete Aufbringung empfiehlt sich eine kleine medizinische Spritze, deren Nadel die Flüssigkeiten zielgerichtet auf die jeweiligen Achsen bringt. Das Ganze braucht Zeit, aber es lohnt sich!
Alle Röhren wurden auf Funktion und Brauchbarkeit getestet. Die meisten waren zum Austausch fällig, um allen Eventualitäten aus dem Weg zu gehen. Die im TV-Tuner installierten Typen PCF 86 und PCC 88 konnten allerdings bleiben. Alle anderen wurden sicherheitshalber ersetzt. Eine Schwierigkeit ergab sich bei der Booster-Röhre EY 86: Die Kontakte in der Kappe waren angerostet und bedurften besonders sorgfältiger Behandlung, um wieder fest zu sitzen und einsatzfähig zu sein.
Hohe Aufmerksamkeit gebührt den Netzteilen von Radio und Fernseher. Beim Radio wurden Gleichrichter und Elkos ersetzt. Die Werte der Originalteile ließen ihre einstige Leistungen bestenfalls erahnen. In beiden Fällen fanden die neue Elkos auf einer kleinen Leiterplatte einen neuen Platz, die alten Elkos (Dolomit aus bekannten Gründen auch als „Dynamit“ tituliert) wurden entsorgt.
Bei der Spannungsversorgung des Radioteils trat ein Problem auf, weil lediglich die Einstellung auf 220 Volt Wechselstrom möglich ist. Im hiesigen Stromnetz werden hingegen regelmäßig Spannungen von nahezu 240 Volt gemessen. Das hätte zur Folge, dass bei der Heizspannung der Radioröhren anstatt 6,4 Volt kontinuierlich bei 7 Volt und mehr anfällt. Für Abhilfe sorgt ein zusätzlicher Widerstand (100 Ohm, 10 Watt). Damit fällt genügend Spannung ab, um die glühenden Röhrenfäden nicht ständig zu überlasten.
Der Austausch der überaus zahlreichen Kondensatoren hat mehrere Wochen gedauert. Manche sind schwer zugänglich angebracht und nehmen viel Zeit für den Austausch in Anspruch. Dann fehlt nach wenigen Stücken auch manchmal die Lust, weiter zu machen und es empfiehlt sich eine „schöpferische Pause“. Gezählt wurden die ausgetauschten Kondensatoren nicht, aber 50 Stück unterschiedlichster Provenienz waren es bestimmt – eher mehr.
Jetzt kam der erste Probelauf. Das Radioteil präsentierte sich auf Anhieb in einem ausgezeichneten Zustand. Mit der im Gehäuse eingebauten Antenne gibt es einen sehr guten UKW-Empfang. Auch der Fernseher zeigte bereits beim ersten Test Lebenszeichen. Nach diversen Einstellarbeiten auch hier ein sehr ordentliches Ergebnis.
Bei dem Kurfürsten F 171 ist Fernsehempfang nur über die beiden VHF-Bänder möglich. Den UHF Tuner gab es zur Nachrüstung, aber erst bei den Nachfolgemodellen. Ein Frequenzwandler (aus China), in Verbindung mit einer passenden Antennenweiche (von 75 Ohm Koax auf 300 Ohm Flachband) erwecken den Kurfürsten schließlich zu neuem Leben.
Links: Erster Test, rechts: Pink Floyd
Begeisterung kam auf, als das Pink Floyd Konzert in Venedig erklang. Das Bild zwar nur in Schwarz-Weiß, aber der Sound über den großen Bass-Lautsprecher ergänzt durch Mittelton und Schallkompressor, da hätte selbst David Gilmour seine Freude gehabt…
Für die Hilfestellung bei diesem Projekt gilt besonderer Dank Dietmar Ehrhard, Gerold Welzel und Wolfgang Ruf, ohne deren fachkundige Unterstützung das Projekt nicht zu realisieren gewesen wäre. Danke!
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