Was lange währt…
Im Januar 2020, also noch vor „Corona“ wurde ein Nordmende Fidelio aus dem Jahr 1963 zur Reparatur ins Radio-Museum Linsengericht gebracht.
Nun endlich, nach fast elf Monaten wurde das Gerät im „Home-Office“ repariert und konnte wieder zu seinem Besitzer zurück
Nicht im besten Zustand…
Leider hat der Apparat einige Zeit allein in der Waschküche stehen müssen. Das hat ihm nicht besonders gut getan. So war zuerst eine gründliche Behandlung mit meinem Freund „Staubich Saugich“ angesagt. Mit einem Pinsel und viel Geduld wurde der grobe Dreck entfernt. Und durch den langen Aufenthalt in der Waschküche klebte der Dreck auch noch gut fest.
Das Gehäuse im nordischen Design war … sagen wir mal „mitgenommen“, das bringts vielleicht auf den Punkt.
Bestandsaufnahme:
Eine EL84 hatte weißen Belag: Ein Zeichen dafür, dass sie Luft gezogen hatte.
Das „Magische Band“ EM84 war blind und leuchtete fast gar nicht mehr. Ein Zeichen dafür, dass das Gerät viel hinter sich hat.
Viele schlechte Kondensatoren.
Lautstärkepoti festgefressen.
Und die Bedienknöpfe sahen erschreckend aus.
Reinigung und Pflege.
Zuerst wurden alle Plastikteile, die Skala und das dahinterliegende Transparent abgenommen. Die Knöpfe und Plastikblenden badeten ausgiebig im bekannten „Frosch-Reiniger“. Die Skala wurde nur von außen gereinigt. Hier kanm sogar ein Glaskeramikschaber aus der Küche zum Einsatz. Leider hatte Nordmende die EM84 mit Schaumstoffstreifen gepolstert, die bei ihrer Zersetzung über die Jahre den Hinterglaslack der Skala beschädigt haben. Das kann man nicht reparieren.
Die Potis waren fest. Alle.
Hier hilft es oft, das eingetrocknete Fett mit tropfenweise Alkohol oder acetonfreiem Bremsenreiniger zu lösen.
Dann muß die Achse bewegt werden.
Ein Spannzangenknopf für 6mm Achse lässt sich gut auf der Achse festziehen und gibt Dir die Kraft, den alten Fettschmeer zu besiegen.
Nach fünfhundert hin- und her-Drehungen und ein paar Tropfen hochwertigen Öls gehen die Potis wieder. Reine Fleißarbeit…
Kondensatoren…
Okay, einer der ersten Apparate, die auf Pertinaxplatine aufgebaut waren. Kondensatoren wechseln ist hier … nicht etwa einfacher!
Die alten Herren haben das Zeug verbaut, dass keiner mehr drankommt.
Echt übel… Aber mit Geduld und einem Zahnarztspiegel läßt sich selbst das regeln…
Röhren:
Es war schon zu sehen, eine EL84 ist tot und die EM84 ist blind. Also neu.
Ja, und das Meßgerät zeigt noch die EBC81 als total hinüber an.
Wieder darf der Elektronikversender aus Norddeutschland liefern.
Überraschung!
Nun, alles soweit klar? Probelauf… Hallo? Probelauf?
Was soll das? Kein Strom?
Meßgerät raus. Strom… Strom… Öhm… Aha, Schalter auch kaputt?. Mal überbrücken… Siehste, geht doch.
Also auch noch ein neuer Netzschalter. Das teuerste Teil der Reparatur.
Und eine Lüsterklemme als Netzanschluss? Niemals!
Ach und was soll das hier? Zwei Nieten, die die interne Lautsprecherbuchse tragen sind abgefault. Ok, Schraube M3 x 15. Geht immer.
Geht?
Geht.
Probelauf über mehrere Stunden Okay.
Gerät empfängt UKW gut, Mittelwelle naja…
Gegen meinen Saba kommt er nicht an, aber in den 60ern war man schon auf dem Weg von der Mittelwelle weg, da gab man sich oft nicht mehr die Mühe. UKW hatte Vorrang.
Gehäuse:
Nein, das darf der Kunde selbst.
Ich würde es zu meinem Schreiner schaffen.
Das ist dort noch echte Handwerksarbeit und die ist wertvoll.
Wenn Edi drei Tage lang an so einem Gehäuse werkelt, ist es zwar wie neu, aber das kostet auch Geld.
Sollte also wer einen Schreiner suchen, der Radiosammler versteht und auch schon Gehäuse überarbeitet hat: Edi Oechler aus Ilbeshausen.
Der ist gut. Und wenn ich das sage, meine ich das auch.
Naja, dem Fidelio wird nun sein Besitzer die entsprechenden Streicheleinheiten selber geben, schätze ich. Ich empfehle hier immer Poliboy Möbelpolitur.
Ausblick und Happy end?
Heute hat der Besitzer seinen Normende abgeholt.
Der Apparat bekommt jetzt bestimmt noch einiges an Gehäusepflege und darf dann ins heimische Wohnzimmer, wo er auch hingehört.
Allerdings hat er auf einer Seite nach dem Transport auch den Ton verweigert. Muss er nochmal in die Klinik?
Wir werden sehen.
Und wir berichten weiter.