Elektronenröhren als „Weichmacher“

Die gute alte Vinylschallplatte feiert ein Comeback. So manche eine schwarze Scheibe aus den 70er und 80er Jahren ist gesucht und Musikliebhaber reiben sich die Augen, wenn sie die Preise sehen, die für ein solches Schätzen aufgerufen – und bezahlt werden. Viele Musikgenießer schwören überdies auf Röhrenverstärker. Diese Technik biete einen „weicheren Klang“ argumentieren sie. Halbleiter und Co. würden zwar chirurgisch rein klingen, aber eben ein wenig künstlich.

High Fidelity, zu Deutsch „naturgetreue Wiedergabe“, hat sich in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Qualitätsaussage zur Orientierung bei Produkten der Unterhaltungselektronik entwickelt. Die damals festgelegten Kenngrößen in der HiFi-Norm 45 500 (1996 aufgegangen in der DIN EN 61305) haben Bestand. Schließlich hat sich ja an der Konstruktion des menschlichen Ohres im gleichen Zeitraum nichts geändert. Die Mindestanforderungen an UKW-Empfängern, Plattenspielern, Magnetbandgeräten, Mikrofonen, Verstärkern und Lautsprechern sind damit definiert. Die Messmethoden wurden zwischenzeitlich verfeinert, mit Blick auf Schallplatten und deren Wiedergabe ist die gute alte DIN-Norm noch immer ein guter Leitfaden.

Der Frequenzübertragungsbereich ist ein wichtiges Kriterium nach DIN 45 500. Plattenspieler leisten dabei zwischen 10 und 30.000 Hz, Tuner zwischen 30 und 15.000 und Verstärker zwischen 5 und 100.000 Hz. Kassettenrecorder kommen auf Werte zwischen 30 und 16.000 Hz. Vielleicht ein Grund dafür, dass Bandgeräte nicht auf der aktuellen Nostalgiewelle mit schwimmen. Die Verstärkertechnik ist heute hinsichtlich Frequenzgang, Rauschen, Störabstand, Übersprechen und Klirrfaktor weitgehend ausgereift. Lautsprecher und Raumakustik, gelten aktuell gemessen an den anderen Komponenten als Schwachpunkt. Sie haben den schlechtesten Frequenzgang und den mit Abstand höchsten Klirrfaktor aller Komponenten.

Hörgenuss ist natürlich immer subjektiv. Obendrein verändert sich das menschliche Gehör mit zunehmendem Alter. Tiefe Töne kann das Trommelfell meistens noch gut aufnehmen. Anders jedoch die „Höhen“. Hier setzt spätestens im zarten Alter von 50+ ein Rückgang des Wahrnehmungsvermögens ein. Und hinzu kommt, der Musikgeschmack verändert sich im Laufe eines Menschenlebens. Pop und Rock dominieren in der „Sturm und Drangzeit“. Später entdecken viele Musikfreunde ihr Herz für Klassiker, Beethoven, Mozart, Tschaikowski – um nur einige Namen zu nennen.

Was ist schon optimal?

Wie beurteilen denn die Naturwissenschaftler das Phänomen HiFi-Wiedergabe mit Plattenspieler und Röhrenverstärker? Um es vorweg zu nehmen, Wissenschaft und physikalische Experimente geben keine eindeutige Antwort. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat es bereits vor einigen Jahren auf den Punkt gebracht: „Vinyl ist sinnlicher – in klanglicher Hinsicht allerdings nur unter Optimalbedingungen.“ Aber wer hat das schon?

Bei den Schallplatten gibt es zwischenzeitlich gute Neupressungen. Diese Ware ist aber deutlich teurer, als die seinerzeitigen Erst-Auflagen. Ältere Aufnahmen – und das gilt besonders für ausgewählte Pop-Musik und Klassiker – sind kaum mehr erhältlich. Hier gilt es bei entsprechenden Auktionen in Internet und beim Fachantiquariat die Augen und meistens in deren Folge auch den Geldbeutel aufzuhalten.

Die nächste Hürde für „Optimalbedingungen“ sind leistungsfähige Abspielgeräte. Die Klassiker von Dual, Lenco und Thorens sind zwischenzeitlich in die Jahre gekommen. Die Hersteller gibt es so nicht mehr. Geräte wie Dual 1218 oder 1228 wurden letztmalig vor mehr als 30 Jahren vom Werk im Schwarzwald in alle Welt ausgeliefert. Sie erfreuen sich zwar nach wie vor großer Beliebtheit und der Preis eines gepflegten Stückes kann heute locker den damaligen Neupreis übersteigen. Gute Exemplare werden zunehmend seltener angeboten, Ersatzteile – mit Ausnahme der Abtastnadeln – sind oft schwer zu beschaffen.

Glücklicherweise ist robuste Bauweise und Qualität der Bauteile bis heute unübertroffen: Nur sehr hochwertige und entsprechend teure Plattenspieler verfügen aktuell über so schwere und gut laufende Teller wie der Dual 1228/29, die nach der Abschaltung bis zu drei Minuten ohne eigenen Antrieb nachlaufen.

Bei der Frage Röhre oder Halbleiter (Transistor) gibt es Messwerte, die über den Klang Auskunft geben. Elektronisches Geklirre fällt bei Transistoren meist schwächer aus. Röhren verhalten sich hingegen bei Übersteuerungen gutartiger. Soweit die physikalischen Kurven. Bedingt durch einen deutlich höheren Ausgangswiderstand werden beim Röhrenverstärker vor allen die Bass-Chassis kaum bedämpft. Das kann zu unkontrollierten Schwingungen der Membranen führen. Die Krux: Das menschliche Ohr empfindet diese „weiche oder luftige“ Wiedergabe als räumlich und damit besonders angenehm.

Fazit: Gute Messwerte spiegeln sich nicht zwangsläufig im Gehöreindruck beim Menschen wider. Es entscheidet der persönliche Geschmack. Und schließlich spielt natürlich die individuelle Musikauswahl – Klassik, Oper, Operette, Pop, Gesang oder Orchester – eine große Rolle.

in den 80er Jahren begann die Karriere der CD. Mit dieser Silberscheibe hat eine Besonderheit bei der Unterhaltungselektronik Einzug gehalten. Digitale Musikspeicher, CD oder MP3-Player, benötigen – anders als bei Schallplatte und Tonband – ein Betriebssystem. Ohne Windows & Co. läuft im wahrsten Sinne des Wortes gar nichts. Alle akustischen Signale sind als Ja-Nein oder 0-1 Information auf dem Datenträger gespeichert. Erst das passende Betriebssystem interpretiert die Daten und reproduziert sie verständlich für das menschliche Ohr. Sampling- und Bitraten spielen somit eine bedeutsame Rolle für die Wiedergabequalität – natürlich auch bei modernen MP3-Downloads.

Die Schwächen der Schallplatte schienen damit aus der Welt geschafft. Kein Rumpeln mehr, kein Eigenrauschen durch verschmutzte oder abgenutzte Tonabnehmer. Und außerdem passen 80 Minuten Musik auf die CD.

Technik oder Hokuspokus?

Nicht ist perfekt. Die maximal abtastbare Frequenz auf der CD beträgt 44,100 kHz, mithin pro Kanal 22,05 kHz. Der Rest wird abgeschnitten. Das sollte eigentlich reichen. Aber weil nur ein Teil der erzeugten und wahrnehmbaren Ober- und Differenztöne gespeichert sind, kann dem geschulten Ohr etwas fehlen. Das ist messtechnisch durchaus nachweisbar. Entscheidend sind jedoch andere Faktoren. Das haptische und die optisch ansprechende Zeremonie der Schallplattenwiedergabe in Kombination mit der rotglühenden Verstärkerröhre hat von seinem ursprünglichen Charme bis heute nichts eingebüßt.

Für die Freaks unter den HiFi-Fans gibt es heute eine ganze Reihe von Angeboten, um das Letzte aus den abgespeicherten Signalen – egal ob digital oder analog heraus zu kitzeln. „Fremdgeräuschzerstörer“ sollen für reinen Netzstrom sorgen. Hörtest konnten eine Ergebnisverbesserung nicht bestätigen. Anders verhält es sich schon eher mit vergoldeten Stecker und größer dimensionierten und ggfls. abgeschirmten Verbindungskabeln. Hier besteht durchaus die Möglichkeit, etwas Gutes für den Klang zu tun. Ob es tatsächlich möglich ist, mittels einer Granitplatte eine durch Elektrosmog geschädigte CD zu „entstressen“, lässt sich hingegen nur schwer nachvollziehen.

Grundsätzlich gilt die Regel, wonach man sich beim Erwerb hochwertiger Unterhaltungselektronik in erster Linie auf seine eigenen Ohren verlassen sollte. Wer allerdings absolut unverfälschten Klang genießen möchte, dem sei ohnedies der Kauf von Konzertkarten empfohlen…