Henry’s Grammophon

Einen ungewöhnlichen Reparaturbericht liefert uns heute der Radiodoktor Dietmar Ehrhard.

Es geht dabei um ein Gerät, das gegen unsere Gewohnheiten gar keinen Strom braucht.

Also nichts mit Röhren messen, Kondensatoren und Spulen, Sicherungen und Netzsteckern.

Nicht einmal Batterien!

Also lesen wir, was Dietmar berichtet hat:

Henry’s Grammophon

Mein lieber Freund Henry aus Dresden hat ein Grammophon und das macht laute, beängstigende Klopfgeräusche.

Für einen Holzwurm zu laut und für einen Presslufthammer zu leise. Aber Schallplattenmusik geht eher nicht.

An der Gehäusefront fehlt das Lager für die Kurbel. Deswegen verkantet sich die Kurbel. Aufziehen ist so fast unmöglich.

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Guter Rat ist teuer. Aber wir müssen zuerst herausfindet, wer da drinnen so rattert und rumpelt. Daher Werkzeug her und das Gerät öffnen.

Ein Blick in das Innere verrät den Grund. Eines der drei Gewichte der Fliehkraftbremse hat sich verselbstständigt. Die verbliebenen zwei schlagen bei jeder Umdrehung an benachbarte Teile an.

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Der Verursacher des Hauptproblems ist entdeckt und das hilft uns weiter.

Mein Radioklinik-Kollege Wolfgang nahm die Herausforderung an und stellte drei neue Federbleche und das Kurbellager für mich her.

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Er konnte berichten, dass so mancher Bohrer vor dem harten Federstahl kapitulieren musste. Letztlich konnte er doch Unmögliches möglich machen.

Aber das war noch nicht alles. Der Motor war einfach kraftlos.
Soweit ist das aber auch nicht verwunderlich, wenn man sich vor Augen führt, wie so ein Grammophon-Motor arbeitet.

Mit der Kurbel wird eine starke Feder aufgezogen. Diese Feder gibt die Kraft dann an ein Getriebe ab und dieses dann an den Plattenteller. Zwischendurch ist noch eine Fliehkraftbremse montiert, die die Geschwindigkeig regelt.

So eine Mechanik will gut geschmiert sein.

Und hier liegt dann der Hase im Pfeffer, oder besser die Feder im Fett… Nach so vielen Jahrzehnten wird aus Schmierfett so etwas wie Teer. Zäh, klebrig und unnachgiebig.

Es stand eine komplette Demontage an.

Die offene Federbüchse beweist unsere Vermutung. Das verharzte Fett ist wohl das Übel. Der alte Schmeer muss raus!

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Ein Bad in einem Liter Terpentin und viel Geduld sind nötig.

Ein paar Tage später glänzten alle Teile wie neu.

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Nun noch frisches Schmierfett für die Federbüchse und einiges an Lagerfett für Räder und Achsen. Gerade in der Federbüchse heißt es wirklich „viel hilft viel“
Nun hat der Motor auch wieder „Schmackes“ und genug Kraft, die Platten zu drehen.

Aber zu früh gefreut.
Um den Motor zu justieren muss er komplett am Trägerbrett montiert und im Gehäuse eingebaut sein, weil die Einstellung der Geschwindigkeit über Hebel an die Front des Gehäuses führt. Dort befindet sich der Knopf mit Einstellskala.

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Am alten Holz ist es bestimmt nicht gut, die Schrauben dutzende male zu lösen und wieder zu befestigen, um die Geschwindigkeit richtig zu justieren.

Also eine genaue Maßskizze der Frontplatte angefertigt und ein Behelfsgehäuse gebaut.

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So kann der Stellknopf montiert werden und am Motor die Fliehkraftbremse justiert werden.
Eine Stroboskopscheibe auf dem Plattenteller und eine 50 Hz Glühlampe ermöglichen die Feineinstellung. Ein kleines Unterflurlämpchen sorgt dafür, das man die Schräubchen zum Justieren findet.

Jetzt noch zusammengebaut, etwas dunkle Möbelpolitur auf das Trägerbrett und der Apparat darf sich wieder stolz Grammophon nennen.

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Ach ja, ein kleiner Schlüssel war auch dabei. Wo ein Schlüssel, da auch ein Schloss.

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Wie praktisch, an der Seite ist ein Fach, in dem man einige Platten mit in die Sommerfrische nehmen kann.

Eine Hörprobe besteht das Grammophon mit Bravur:

Ein Gedanke zu “Henry’s Grammophon”

  1. Hallo Dietmar,
    vielen,vielen Dank für Deine und für Wolfgang`s tolle Arbeit.
    Ihr habt meiner Ute eine große Freude bereitet ,ist es doch ein Erinnerungsstück
    an ihre Oma.
    Ich hätte nicht gedacht, das ihr in eurer Klink das Grammophon zum laufen bringt.
    Ich wünsche Dir Dietmar und Deinen Mitstreitern viel Spaß und ein glückliches Händchen bei der Reparatur der alten Schätzchen.
    Ute und Henry aus Dresden

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