Können alte Radios Geschichte(n) erzählen? – Ein Selbstbaugerät

Ein Reparaturbericht zu einem Selbstbaugerät aus 1928 von Gerold Welzel


Wenn man ein altes Radio restauriert, kann man einiges aus seiner Vergangenheit herauslesen. Mal mehr mal weniger. Beim Restaurieren eines Saba Radios findet man auf dem Typenschild den Namen Saba. Innen findet man Widerstände und Kondensatoren mit Saba Aufdruck. Also alles eindeutig, ein Qualitätsgerät, in der Schwarzwälder Apparate Bau Anstalt in Villingen-Schwenningen hergestellt.


In den 20er und 30er Jahren war es sehr üblich ein Radio selbst zu bauen. Dies war recht attraktiv, da die industriell gefertigten Geräte recht teuer waren und man mit dem Selbstbau kostengünstiger zu einem Rundfunkempfänger kommen konnte. In unserem Museums Fundus stand noch leicht eingestaubt, solch ein Selbstbaugerät. Kann es uns auch etwas erzählen?

Selbstbaugerät


Als erstes habe ich das Gehäuse des Selbstbaugeräts vorsichtig gereinigt und mit Möbelpolitur und Möbelwachs den alten Glanz wiederhergestellt. Das Gehäuse entpuppte sich als eine hochwertige Truhe aus massivem Eichenholz, sicherlich von einem Schreiner professionell hergestellt. Der Radiobauer hatte damals wohl keine Kosten gescheut.

Wie sieht das Selbstbaugerät innen aus? Nachdem der Staub mit Pressluft sanft entfernt wurde, findet man 4 Röhren, zwei in Alubechern gekapselte Spulen und zwei Luftdrekos mit zusätzlichen Feintrieb-Getrieben. Weiter einen Papier Drehko und einen Zwischenübertrager. Das Gerät ist wohl ein Zweikreiser mit abgestimmter HF-Vorstufe (RES094), Audion (RE084), NF-Vorverstärker (RE084) und NF-Endstufe (RE304).

Innen

Ein Netzteil ist nicht vorhanden, also ist es ein Batterieempfänger. Alle diese Bauelemente machen einen recht hochwertigen Eindruck. Also mal sehen wer sie geliefert hat.

Zwischendurch wurden die Kondensatoren geprüft und weitestgehend ersetzt.
Aufgefallen sind mir Blockkondensatoren der Firma LFM München, die noch in einwandfreiem Zustand waren. Wer oder was verbirgt sich hinter LFM? LFM heißt Ludwig Flörsheim Metallwerke München. Hier werden wir mit der schwarzen Seite der deutschen Geschichte konfrontiert, denn Ludwig Flörsheim war ein erfolgreicher Metallwaren Fabrikant jüdischer Herkunft.

Er wurde 1938 enteignet und im KZ-Dachau inhaftiert. Zum Glück konnte er noch im Dezember 1938 nach New York emigrieren. Daher kennt heute fast niemand mehr diesen Hersteller. Die Qualität seiner Kondensatoren war wohl nicht schlecht, sie funktionieren noch heute!


Was sagen uns die anderen Bauteile? Die beiden Spulensätze in den Alubechern tragen die Aufschrift Budich. Georg Budich war ein Hersteller von Spulen und Transformatoren in Berlin, gegründet 1925. Weiter hat er Bauteile für den Selbstbau von Radios in einem ausführlichen Katalog angeboten. Die Bauteile wurden nicht nur direkt vertrieben, sondern konnten auch über die vielen Radiobastlergeschäfte bezogen werden.

BudichFilter 1

Budich veröffentlichte auch kleine Broschüren, die „Budich Bastel Winke“, die Beschreibungen, Schaltpläne und Bauhinweise für den Bau eines eigenen Radios enthielten. Tatsächlich ist der Schaltplan unseres Selbstbaugeräts an einen Schaltplanvorschlag von Budich angelehnt. Unser Radioamateur hat also von Budich nicht nur Bauteile, sondern auch die Schaltungsunterlagen bezogen.

Wenn man den Budich Katalog betrachtet, findet man sehr viele Parallelen zu den Radio RIM Katalogen der 50er bis 80er Jahre, die viele von uns ja noch kennen. Im Audionteil des Gerätes ist auch noch eine HF-Drossel der Firma Budich verbaut.


Als Hersteller der beiden Drehkondensatoren mit Friktions-Feintrieb konnte ich die Firma Förg&Co München ausfindig machen. Förg, gegründet 1912, war ein Teilehersteller für den Selbstbau und galt als Nobelhersteller, da der mechanische Aufbau sehr solide und langlebig war. Auch bei unserem Gerät war nur eine Reinigung und ein bisschen Schmierung erforderlich. Später baute Förg auch Bauelemente für den Einsatz in militärischen Geräten.

DrekomitFeintrieb


Das Selbstbaugerät konnte, nachdem einige fehlenden Verbindungen wiederhergestellt wurden, in Betrieb genommen werden. Dabei wurde auch der Schaltplan neu aufgenommen und gezeichnet. Die Bedienung des Gerätes erfordert etwas Fingerspitzengefühl, da es sehr trennscharf ist, aber mit zwei unabhängigen Drehkos auf die gleiche Frequenz abgestimmt werden muss.

Für die genaue Abstimmung sind die Feingetriebe der Drehkondensatoren sehr hilfreich. Das Gerät ist recht empfindlich. Mit einer Hochantenne konnten ein ungarischer und mehrere englische Sender empfangen werden.

Der Kunststoffoberfläche der Abstimmknöpfe war durch den Zahn der Zeit recht rau geworden. Eine gründliche Reinigung hat hier nicht ausgereicht, sie wurden daher mit einer dünnen Schicht Mattlack farblos überzogen.

Feindrehknopf 1

Zur guter Letzt wurden die Frequenzbereiche überprüft. Das Gerät empfängt die beiden Bereiche LW 150- 450 kHz und MW 480-1680 kHz.


So kann das Selbstbaugerät wieder funktionsfähig zurück ins Museum einziehen. Als nächstes muss noch eine kleine Netzanode restauriert werden, damit es auch einfach vorgeführt werden kann.


Der Radiobastler, der dieses Gerät ca. 1928 baute, hat überall hochwertiges Material eingesetzt. Daher konnten die meisten Komponenten weiter verwendet werden. Ich hätte nicht gedacht, dass solch ein „no name“ Selbstbaugerät so viel erzählen kann!

Dieses Radio steht in der 30er Jahre Ausstellung des Radio-Museum Linsengericht.